Der zwischen Elbe- und Wesermündung in der Deutschen Bucht gelegene Gr. Knechtsand mit der Insel Neuwerk war in den 70er und 80er Jahren Begierde für einen Ölhafen. Angedacht war es in Neuwerk einen Hafen zu bauen um den großen Tankern den weiten Weg über die lange, damals flache Elbe nach Hamburg zu ersparen.
Unter der Leitung von Prof. Hans Oelke aus Peine wurde die ornithologische Lage auf dem Gr. Knechtsand untersucht, denn der Sand – bei Ebbe eine Größe von etwa 380 Quadratkilometern – hatte inzwischen internationale Bedeutung als Massen-Mausergebiet der europäischen Brandgans Populationen erlangt und diente Millionen von ihnen als Rückzugsgebiet während der Mauser.
Für die mehrjährige, jeweils in den Sommermonaten statt findende, telemetrische Untersuchung der Brandgans Population wurden Funkamateure gesucht und gefunden, die bereit waren auf dem Knechtsand – 20 km vor der Küste – in einem primitiven Vogelwärter Holz Turm von wenigen Quadratmetern, in 10 m über Grund und in völliger Abgeschiedenheit von Außenwelt, unter primitivsten Bedingungen einige Wochen zu verbringen.
Unter der Leitung von Hubertus Rathke, DC1OP, Bremen und seiner Frau Barbara, wurde eine Mannschaft zusammen gefunden die, die wasserdichten, Minisender im UKW Bereich und die rauscharmen Empfänger bauen konnten. Die 10 mW Sender mit angepasster Stabantenne wurden den Brandgänsen als Rucksack auf den Rücken geschnallt und so befestigt, dass sie nach der Betriebsdauer automatisch abfielen.
Drei Peilstationen mit je 6 Personen wurden eingerichtet: Knechtsand Vogelwärter Turm, Spika-Neufeld Hafen, Turm der BW und Sahlenburg. Durch Kreuzpeilung wurde stündlich, rund um die Uhr in der Beobachtungszeit von 6 Wochen der Standort der einzelnen Brandgans gepeilt und in eine Karte eingetragen. Repräsentativ für die große Population der Brandgänse wurden 24 von ihnen mit Sendern bestückt, stündlich angepeilt und in einer Seekarte eingetragen.
Das Vorhaben auf dem Sand hatte zwischenzeitlich solche Wellen geschlagen, dass wir von dem Tierfilmer Heinz Sielmann mit seinem Kameramann Kappel besucht wurden. Heinz hat das gesamte Vorhaben dann in dem NDR Film über die Nordsee verewigt – die bärtigen Gesellen waren wir.
Es wurde bei jedem Wetter gepeilt. Wettersituation vom 21. – 23. August 1980. Großwetterlage: „Der tropische Wirbelsturm ‚Bonnie‘ wurde am 15.8.1980 auf der Position 16,5° N /39° W (ca. 900 Seemeilen westlich der Kapverden) auf Satelliten-Fotos entdeckt. Bei konstanter Wassertemperatur um 27 ° C vertiefte ‚Bonnie‘ sich zum Hurricane (Maximale Windgeschwindigkeiten 264 kn) und zog 500 Seemeilen westlich der Azoren weiter nordwärts, bis er am 19.8.1980 die nordatlantische Frontalzone auf ca. 50° nördlicher Breite erreichte. Hier wurde ‚Bonnie‘ letztmals als Hurrikan eingestuft (maximale Windgeschwindigkeit noch 65 kn). Auf seiner Vorderseite floss tropische Warmluft nun in breitem Strom über den östlichen Nordatlantik nach Westeuropa. So stiegen die Temperaturen in der 500 mbar-Fläche in Brest auf minus 5° C an. Da gleichzeitig ein Sturmtief mit höhenkalter Luft von Island über die norwegische See ostwärts zog, ergab sich in der Frontalzone über West- und später Mitteleuropa ein starker thermischer Gradient. ‚Bonnie‘ zog rasch (über 50 kn ) ostwärts und erreichte am 21.8.1980 Norddeutschland, am Nachmittag Polen, wo es zu schweren Sturmschäden kam. Im gesamten norddeutschen Raum kam es beim Aufgleiten der Warmluft auf die hier lagernde Kaltluft zu ergiebigen Regenfällen. Die aus dem Hurrikan ‚Bonnie‘ entstandene Welle zog hart nördlich an Hamburg vorbei.
Inzwischen sind Jahre vergangen. Die Turminsel, der Dünenkomplex sind der See zum Opfer gefallen, außer einer kleinen Komoren Kolonie auf dem Wrack „Dunja“ und natürlich die 3 Zielschiffe bei Meyers Pril, auf die in 50er Jahren die Engländer Bomben Abwürfe geübt haben.
Wir waren zu sechst jeweils in den Sommermonaten auf dem Knechtsand Turm. Eine ausgesuchte Mannschaft unter einer der Leitung eines ganz besonderen Menschen – Prof. Hans Oelke, ausgezeichnet mit dem Verdienstorden am Bande der BRD.
Nicht unerwähnt bleiben darf Günter Hasshagen, Elektromeister aus Nordholz, der uns mit seinem Segelboot Dunja zum Knechtsand gebracht und nach 6 Wochen, stinkend wie Iltisse, wieder abgeholt hat.
Zwischenzeitlich hat er uns einmal in den 6 Wochen mit Trink-Wasser, Proviant und Bier versorgt. Frische Krabben gab es immer dann, wenn die Fischer von Spika-Neufeld auf der Balje vom Fang zurückkamen. Morgens um 5 Uhr, ein Wink mit der Plastik Tüte und die Jungs steuerten uns an. Im tiefen Wasser – bis zu Hals stehend – wurde die große Tüte für 5 DM gefüllt und reichte uns für 2 Tage Bratkartoffeln mit frischen Krabben und Miracel Whip, gefunden morgens am Spülsaum.
Hier fand man alles, was das Herz begehrt, denn damals haben die großen Dampfer, bevor sie nach Bremen oder Hamburg einliefen, alle alten Bestände über Bord geworfen, alles. Bier, Schnaps, Zwiebeln, Kartoffeln, Gemüse, Obst usw. alles, was in Dosen oder Gläsern als Reste über Bord gegangen ist.
Geblieben sind Freundschaften wie mit Alvin Koggen, der Erfinder der Krabben-Puhl-Maschine – unvergessen – und die Erinnerung mit dem Bewusstsein einer guten Tat als Funkamateur. Der Ölhafen wurde bis heute nicht gebaut.
Dr. Walter Schau, DL3LH