Wir berechnen als Beispiel die totalen Verluste einer 30 m langen 50-Ω-Leitung bei der Frequenz fo = 3,6 MHz. Der Matched-Line-Loss – entnommen einer Tabelle – ist ML = 3 dB/100 m. Das VSWR an der Antenne sei S = 6.
Der Verlust bei vollständiger Anpassung ist also ML = 3 dB * 30/100 m = 0,9 dB oder der lineare Wert a = 10 hoch ML/10 = 10 hoch 0.09 = 1,2302.
Der Betrag des antennenseitigen Reflexionsfaktors zu |r| = (6-1) / (6+1) = 0.7142 bzw. |r| 2 = 0.5102. Der totale Verlust berechnet sich mit dem Stehwellen Verhältnis S = 6 zu
TL = 10 log (a mal a – |r| mal |r| ) / a (1 – |r| mal |r|) = 10 log (1.5134 – 0.5102) / 1.2302 (1 – 0.5102)] = 2,21 dB und der zusätzliche Verlust durch die Stehwellen AL = 2,21 dB – 0,9 dB = 1,31 dB.
Der Verlust durch Stehwellen ist also erheblich. Bei einer angenommenen Leistung von 500 W am Eingang der Leitung gelangen also nur noch P = 500 W / 2.21 dB = 500 / 1.663 = 300,66 W tatsächlich an den Realteil der Abschluss Impedanz. Die Differenz wird entlang der Leitung in Wärme gewandelt.
Ist a = 1 – keine Verluste – folgt aus o.g. Beziehung TL = 10 log (1 – |r| mal |r| ) / (1 – |r| mal |r| ) = 10 log 1 = 0. Dann wird bei einer Transceiver Leistung von 100 W die rücklaufende Leistung
Pr = Phin r mal r = 100 W mal 0.5102 = 51,02 Watt, entsprechend 51 Prozent.
In diesem theoretischen Fall – keine Verluste – ist der Betrag des Reflexionsfaktors auf der gesamten Leitung gleich dem Reflexionsfaktor am Ende der Leitung, also auch am Einspeisepunkt. Aus der einfachen Beziehung VSWR = (1 + r) / (1 – r ) kann das VSWR bestimmt werden.
Ist der Betrag des Reflexionsfaktor r = 0 – totale Anpassung über alle Frequenzen – folgt aus o.g. Beziehung TL = 10 log (a mal a ) / a = 10 log a und mit a = 10 hoch ML/10 = 10 hoch 0.09 = 1,2302, TL = 10 log 1,2302 = 0, 8997 dB und die reflektierte Leistung Pr = 0.
In diesem Fall geht von der Transceiver Leistung von 100 W/ 0,8997 dB = 100 W / 1,2302 = 81,29 W an den Realteil der Abschlussimpedanz, d.h. 81,29 Prozent.
Im allgemeinen Fall einer verlustbehafteten Leitung und eines Reflexionsfaktors ungleich Null, Null kann man leicht zurückrechnen, welche Bereiche für a und r zulässig sind, bevor die Endstufe die Leistung reduziert. Normale Endstufen in Amateurhand können ein VSWR
bis etwa 3 verkraften, bevor Schäden, ungewollte Nichtlinearitäten auftreten oder die
Leistung reduziert wird.
Man kann die gleiche Rechnung natürlich auch für eine Zweidrahtleitung durchführen, dessen Dämpfungsfaktor a wesentlich kleiner ist, als der von Koaxkabeln. Daher ist eine Zweidrahtleitung immer von Vorteil, wenn man die Effektivität seiner Antennenanlage als wichtig erachtet! Die ewig Gestrigen bleiben natürlich bei Koax Speisung und brauchen
auch kein SDR.
Bei der Berechnung o.g. Beziehungen ist immer die Kenntnis des VSWR bzw. des Reflexionsfaktors am Ende der Leitung notwendig und nicht das geschönte VSWR direkt hinter dem Transceiver, welches aber aus einem einfachen Zusammenhang aus dem Dämpfungswert der verwendeten Leitung berechnet werden kann.
Jedenfalls sind die Zusammenhänge doch etwa komplexer, als in den YouTube Videos über das VSWR leichtfüßig dargestellt wird. Auch wenn die tatsächlichen Vorgänge auf einer Leitung kaum in einem Video darstellbar sind, erwarte ich doch wenigstens einen Hinweis auf die Auswirkungen der Verluste und wo man die genauen Zusammenhänge nachlesen kann, bevor wieder falsche Informationen über Jahrzehnte in den Köpfen der Amateure überdauern.
Wer mehr wissen will, sei auf den Beitrag: „Die Antenne macht die Musik“ verwiesen.
Dr. Walter Schau, DL3LH