Sehnsucht nach alten Zeiten?

Manchmal sitze ich spätabends oder in der Nacht an meinem Schreibtisch, umgeben von moderner Technik.

Dann erfasst mich ohne eigentlichen Grund eine tiefe Sehnsucht nach alten Zeiten, eine andere Zeit, eine Zeit, in der Amateurfunk mehr bedeutete als nur QSO fahren oder tippen auf der Tastatur, um das WebSDR zu aktivieren.

Damals, als die Welt noch nicht so vernetzt war, war mein Amateurfunk eine Tür zu fernen Welten und fremden Kulturen. Mit den selbst gebauten Kisten und einem einfachen Dipol konnte ich Stationen aus allen Ecken der Erde empfangen. Jedes QSO war ein kleines Erlebnis, ein kleines Abenteuer, eine Entdeckungsreise in die Welt nach da draußen. Ich fühlte mich irgendwie Teil dieses riesigen Netzwerks unbekannter Freunde, das sich über Länder und Ozeane erstreckte.

Die riesige Weltkarte über der Station mit den Zeitzonen, den exotischen Rufzeichen fremder Länder und den kleinen Fähnchen erreichter Verbindungen war Ansporn genug Nächte an der Station zu verbringen.

Für mich hatte der Amateurfunk immer etwas Magisches. Wie war es möglich, mit den wenigen Watt aus einer RL12P10, Anodenverlustleistung von 0,5 Watt, fremde Länder zu erreichen? Das Knistern im Empfänger, der spannende Aufbau einer CW-Verbindung mit einer weit entfernten Station und die Freude, wenn mein Signal von einem weit entfernten Funkfreund erwidert wurde. Diese Momente waren kleine Triumphe, die das Herz hat höher schlagen lassen.

Heute, im Zeitalter des Internets, scheint diese Art der Verbindung aus einer anderen Welt zu stammen. Doch genau das ist es, was manchmal wohl die Sehnsucht nach den alten Zeiten so stark aufkommen lässt. Es war eine Zeit, in der Geduld, Technikverständnis und Kreativität gefragt waren. Man konnte ja nicht einfach einen Transceiver oder Antenne kaufen, alles musste in mehrjähriger Bastelarbeit entwickelt und gebaut werden. Jedes QSO war ein Erfolgserlebnis, dass man am liebsten jedem unbeteiligten Menschen auf der Straße erzählt hätte.

Es war eine Zeit der gelebten Gemeinschaft. Nichts war wichtiger als ein wöchentlicher, später täglicher, OV Abend zum Leidwesen der Frauen der Oldtimer, die sich wöchentlich – unabhängig – von den Technik Jüngern – trafen. Eine, meine große Familie, mehr Wert als die eigene.

Gierig lauschten wir den Worten und den Ausführungen des technischen Referenten. Lernen von CW – die Prüfung bei der OPD im Nacken – war berauschend, etwas, was keiner der Normalbürger konnte.

Egal, wann man sich an die Station im ungeheizten Dachraum setzte, man konnte sicher sein, dass es irgendwo da draußen einen Funkamateur gibt, der bereit war, ein Gespräch zu führen, Hilfe anzubieten oder einfach nur zuzuhören.

Sah man bei unseren Radtouren durch die Lande irgendwo eine Amateur-Antenne, dann hat man dort geklingelt, wurde mit offenen Armen aufgenommen und mit Stolz das Shack gezeigt. Diese menschlichen Momente, die durch die Funkerei möglich wurden, hatten eine besondere Tiefe und besondere Ehrlichkeit.

Natürlich, die Welt hat sich weiter entwickelt und die Möglichkeiten der modernen Kommunikation sind beeindruckend. Ich selber habe ja diese Entwicklung ins Moderne betrieben. Doch, trotz aller Fortschritte, bleibt die Erinnerung an die alten Zeiten lebendig. Es war eine Zeit, in der jede Verbindung ein kleines Wunder war, ein Zeugnis der technischen Meisterschaft der Selbstbaukisten und der unstillbaren Neugier an der HF-Technik.

Verschlungen haben wir die Bücher von Diefenbach, der hervorragenden Literatur aus der DDR, Handbücher über aktuelle Rundfunktechnik und Zeitschriften wie Funkschau, Funktechnik, DL- QTC und QRV.

Vielleicht ist es gerade diese Mischung aus Nostalgie und menschlicher Wärme, die die Sehnsucht nach den alten Zeiten manchmal aufblitzten lässt, eine Ära, in der die Welt ein wenig zufriedener war und die Entdeckungen ein wenig wie ein Wunder empfunden wurden.

Manchmal, wenn ich so über die Frequenzen drehe, fühle ich mich wie ein Fossil einer anderen, der heutigen dynamischen Welt. Viele gute Freunde sind schon gegangen und SK – dann schweifen meine Gedanken ab und die Erinnerungen an die gemeinsamen Erlebnisse blitzen auf – ehrliche Freundschaften aus längst vergangenen Zeiten – rund 70 Jahre Amateurfunk haben doch Spuren hinterlassen.

„Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können“.

Dr. Walter Schau, DL3LH

Veröffentlicht in Allgemein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert